30. Januar 2022
Zum Wohle der Menschen
Er fing aber an, zu ihnen zu sagen: "Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt". Und alle gaben ihm Zeugnis und wunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen; und sie sprachen: „Ist dieser nicht der Sohn Josefs?“ Und er sprach zu ihnen: „Ihr werdet jedenfalls dieses Sprichwort zu mir sagen: Arzt, heile dich selbst! Alles, was wir gehört haben, (dass es) in Kafarnaum geschehen (sei), tu auch hier in deiner Vaterstadt!“ Er sprach aber: „Wahrlich, ich sage euch, dass kein Prophet in seiner Heimat anerkannt wird. In Wahrheit aber sage ich euch: Viele Witwen waren in den Tagen Elias in Israel, als der Himmel drei Jahre und sechs Monate verschlossen war, sodass eine große Hungersnot über das ganze Land kam; und zu keiner von ihnen wurde Elia gesandt als nur nach Sarepta in Sidon zu einer Frau, einer Witwe. Und viele Aussätzige waren zur Zeit des Propheten Elisa in Israel, und keiner von ihnen wurde gereinigt als nur Naaman, der Syrer.“
Und alle in der Synagoge wurden von Wut erfüllt, als sie dies hörten. Und sie standen auf und stießen ihn zur Stadt hinaus und führten ihn bis an den Rand des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, um ihn so hinabzustürzen. Er aber schritt durch ihre Mitte hindurch und ging weg.
Gedanken zum Text
Das Sonntagsevangelium finde ich interessant, wenngleich es auch etwas „Übersetzung“ bedarf. Jesus nutzte die Gunst der Stunde und predigte in der Synagoge, da es damals die Tradition gab, dass Besucher auch lehren durften. Es gab viele durchreisende Rabbis. Er lehrte nun in Kafarnaum, der Ort, in dem Jesus von Nazareth zuvor hingezogen ist. Kafarnaum war eine blühende Stadt mit großem Wohlstand. So waren ihre Einwohner zum Teil auch dekadent. In diesem Umfeld macht Jesus deutlich, dass „kein Prophet in seiner Heimat anerkannt wird“. Mit dem Beispiel von Israel weist Jesus die Zuhörer darauf hin, dass Gott schon damals nicht bei den Juden gewirkt hat, sondern bei Menschen, die als gottlos galten. Damit hat Jesus indirekt unterstrichen, dass die Juden, die sich als gläubig und aufrichtig im Glauben ansahen, in Wirklichkeit aus der Sicht Gottes ungläubig waren. Das hat dann die Menschen der Synagoge wütend gemacht, weshalb sie Jesus aus der Synagoge herausgetrieben haben.
Was kann uns diese Bibelstelle für die heutige Zeit sagen?
Ich glaube sehr viel, denn es wird deutlich, dass schon damals das System „Religion“ oder wir würden heute sagen „Kirche“, als System genauso krank war wie heute. Es wird sich innerhalb des Systems mit Regeln beschäftigt, die einzuhalten sind, mit Machtpositionen und Machtausübung, die nicht zum Wohle der Menschen sind. Es geht um Selbsterhaltung und es geht darum, sich gegenseitig zu schützen. Dies haben uns die Geschehnisse rund um Missbrauch sehr deutlich vor Augen geführt. Aber auch eine Initiative wie #OutinChurch zeigt stark, dass Kirche zurzeit an vielen Stellen kein menschenfreundlicher Raum ist, sondern ein angstbesetzter, der Menschen das Leben erschwert, statt Menschen stärkt. Jesus wird in seiner Wahlheimat nicht richtig gehört und verstanden in dem, was sein Anliegen ist. Der Prophet wird halt in seiner Heimat nicht gehört. Auch dies kennen wir, es gab und gibt viele Menschen in der Kirche, die die besagten Missstände deutlich angesprochen haben, aber von den Verantwortlichen in Kirche nicht ausreichend ernstgenommen wurden. Dies betrifft z.B. die Betroffenen von Missbrauch.
Dabei ist es so leicht, als Kirche glaubwürdig zu sein, wenn wir uns auf die Nachfolge Christi besinnen. Hier geht es darum, sich für den Dialog mit Gott Zeit zu nehmen (Gottesliebe) und den Nächsten wie sich selbst zu lieben! Dies ist der Kern der Nachfolge Christi. Wer Menschen misshandelt, liebt sie nicht, sondern hat sich massiv schuldig gemacht und die Frohe Botschaft „mit Füssen“ getreten. Wer Lebensformen und Identitäten von Meschen „abqualifiziert“, hat nicht verstanden, dass Gott alle Menschen ohne Vorbehalt liebt!