27. März 2022
Wer verliert schon gerne?
Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen. Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis und sagte:
Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht! Da teilte der Vater das Vermögen unter sie auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er begann Not zu leiden. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss, ich aber komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner! Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn zu ihm: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße! Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein Fest zu feiern. Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte seinem Vater: Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich dein Gebot übertreten; mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.
Gedanken zum Text
Eine Wahrheit des Lebens ist: Du musst lernen zu verlieren. Du musst lernen, mit Niederlagen umzugehen. Dieser Lernprozess beginnt bereits als Kind. Du verlierst beim Spielen, du verlierst dein geliebtes Stofftier, du verlierst deinen besten Freund, weil er umzieht, oder deinen Opa, weil er stirbt.
Diese Aufzählung des Verlierens kann man immer weiter fortsetzen. Heute verlierst du das Kräftemessen auf der Arbeit oder mit den Kindern. Lerne mit Niederlagen umzugehen, denn du kannst nicht immer gewinnen. Es ist normal zu verlieren, sei es beim Spielen oder im Ernst des Lebens.
Was aber ist, wenn ich selbst verloren gehe oder mich selbst verloren habe?
Was ist, wenn ich im Gedränge dieser Zeit verloren gehe? Wenn ich nicht mehr weiß, wo ich hin soll? Wenn ich nicht mehr weiß, wo ich hingehöre?
Beziehungen helfen uns, nicht verloren zu gehen. Sie helfen uns dabei zu erkennen, wo ich hingehöre. Sie können mir dabei helfen, meinen Platz im Leben zu finden. Das beginnt bei der Beziehung zu mir selbst. Es führt sich fort in den Beziehungen mit meinen Mitmenschen. Es begründet sich und/oder findet sein Ziel in der Beziehung zu Gott.
Der sogenannte „verlorene Sohn“ verliert all diese Beziehungen, die ihm Halt geben, und er liegt verloren am Boden. Er verliert mit dem Platz im Haus seines Vaters, den er freiwillig aufgibt, auch sich selbst. Zudem verjubelt er all das, was er von zuhause mitbekommen hat. Er kappt somit nahezu alle Beziehungsfäden. In seinem Innersten jedoch erkennt er, wo er eigentlich hingehört und gut aufgehoben ist – im Haus des Vaters. Der Vater freut sich, dass sein Kind den Weg nach Hause gefunden hat. Er stellt keinerlei Fragen, keinerlei Bedingungen. Da ist Freude und es wird ein Fest gefeiert. Ein Neuanfang wird möglich.
Welche Beziehungsfäden sind in meinem Leben verloren gegangen? Welche habe ich bewusst aufgegeben? Welche knüpfe ich gerade neu?