15. August 2021
Unsere Weiterfahrt verzögert sich auf unbestimmte Zeit
In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig. Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.
Gedanken zum Text
Mit dieser Lesung feiern wir am kommenden Sonntag das Fest „Mariä Himmelfahrt“. Aber diese Bezeichnung ist vielleicht etwas irreführend, da sie nicht mit „Christi Himmelfahrt“ verwechselt werden darf. Besser passt da die Bezeichnung der „leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“. Aber Moment, leibliche Aufnahme im Sinne von Seele UND Leib?
Kurze Rückblende: Wir Katholiken glauben an das ewige Leben, welches wir mit unserem Tod hier auf Erden und der darauffolgenden Auferstehung erhalten. Dieses ewige Leben bedeutet aber, dass wir nicht nur mit der Seele auferstehen und der Leib auf Erden zurückbleibt. Der Leib gehört konstitutiv zu uns - zu unserer Persönlichkeit, zu unserer Identität. Damit gilt die Auferstehung nicht nur einem Teil von uns, sondern dem Menschen als Ganzes. Erst durch unseren Leib sind wir die Person, die wir heute sind, gestern waren und morgen sein werden.
Am Leib erkennen wir die stetige Einwirkung von Raum und Zeit: Wir werden älter, wir sind zerbrechlich, kurzum - sind menschlich. Daher muss der Leib in irgendeiner Form bei der Rede von einem ewigen Leben dabei sein, damit wir auch wirklich „Wir“ sind und bleiben - und das in Ewigkeit.
Bei der Beerdigung einer geliebten Person müssen wir aber kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir den Sarg oder sogar die Urne bestatten. Denn wir sind als Menschen Teil der Natur, Teil von Gottes Schöpfung. Das wussten bereits die Menschen im Alten Testament, wenn sie schreiben „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück“ (Gen 3,19). Wir werden also nicht mit unserem „alten“ Leib auferstehen und damit ein ewiges Leben damit verbringen, uns über unsere schlimme Hüfte und die allgemeinen Gebrechlichkeiten des Alters zu beschweren.
Es wird eine „neue“ Form des Leibes geben, da unser jetziger Körper für dieses Leben in Raum und Zeit bestimmt ist, und nicht für die Ewigkeit. Dazu kommt noch, dass wir den neuen Leib nicht wie Maria unmittelbar nach ihrem Tod bzw. nach ihrem Begräbnis bekommen, sondern erst „am Ende der Zeit“. Denn genau das meint dieses „ewige“ Leben – das Ende der Zeit. Ewigkeit ist das Gegenteil von allem, was wir uns vorstellen können, da wir nur endliche Sachen in diesem Leben kennen. Die erwartete Ewigkeit ist aber vielmehr als das, sie ist un-endlich. Wir können diesen Zustand also nur mit bekannten Adjektiven beschreiben und ein vermeintliches Gegenteil aus „endlich“ bilden.
Ich weiß, da war viel Theologisches dabei. Aber wir wollen festhalten:
Marias leibliche Aufnahme in den Himmel ist damit für uns ein Vorgeschmack. Sie ist die „Erst-Erlöste“ aufgrund ihrer einzigartigen Verbindung mit Jesus als seine Mutter. Sie hat jetzt schon das Glück am ewigen Leben mit Seele UND Leib teilzunehmen – und dieses Glück ist bereits allen Menschen von Jesus zugesprochen worden. Nur müssen wir eben darauf warten, denn unsere Weiterfahrt verzögert sich auf unbestimmte Zeit.