22. November 2020
Sehen oder nicht sehen
Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zur Linken. Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd gesehen und aufgenommen oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Dann wird er zu denen auf der Linken sagen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht. Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder fremd oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen? Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben
Gedanken zum Text
Heute feiern wir den Christ-König-Sonntag. Es ist der letzte Sonntag des alten Kirchenjahres und das neue beginnt mit dem ersten Advent, der schon vor der Tür steht. In Deutschland gibt es seit über 100 Jahren keinen König mehr. Doch uns Jesus als König vorzustellen fällt vermutlich nicht so schwer. In zahlreichen Kirchen gibt es zum Teil riesige Wandmalereien und Mosaike von Christus als „Pantokrator“, als Allherrscher. Wenn die Renovierungen abgeschlossen sind, kann ich einen Besuch im Bonner Münster sehr empfehlen. Dort thront in der Apsis Jesus in einem weißen Gewand, auf dem Regenbogen sitzend und die Erde zu seinen Füßen. In einer Hand hält er ein Buch, die andere ist segnend ausgestreckt. Milde und souverän thront und herrscht er über alles und jede*n.
Im heutigen Evangelium lesen wir aber noch von einem weiteren Aspekt seines Königtums. Weil Gott über alles herrscht, ist ihm auch alles wichtig. Und so wird beschrieben, wie er am jüngsten Tag die Menschen zur Rechenschaft für ihr Tun zieht. Er zählt die Grundlegenden Werke der Barmherzigkeit auf, Hungernde speisen, Nackte bekleiden, Fremde beherbergen usw. Aber wo steht uns schon einmal Gott persönlich gegenüber und fragt nach einer warmen Mahlzeit oder etwas zum Anziehen?
Es gibt in der Historie unzählige Geschichten, wie Herrscher*innen sich verkleidet und unerkannt unter die „normalen“ Leute gemischt haben. Oftmals war das Motiv zu erfahren, was denn die Leute wirklich über sie*ihn dachten. Zum Teil war das Ziel aber auch herauszufinden, wie die normalen Leute von den königlichen Beamt*innen und Angestellten behandelt wurden. Gab sich der*die Herrscher*in dann zu erkennen, war das Erstaunen immer groß. So ähnlich ist es auch mit Gott. Obwohl er hoch über dem Himmel thront und über alles herrscht, treffen wir ihn in den einfachen Begegnungen und den einfachen Gesten der Barmherzigkeit. Das ist die ganze Bandbreite, die Gott abdeckt und wir dürfen ihn in der ganzen Bandbreite suchen und finden.