26. September 2017
Die Qual der Wahl
In jener Zeit sagte Johannes, einer der Zwölf, zu Jesus: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt.
Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – amen, ich sage euch: er wird nicht um seinen Lohn kommen.
Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.
Wenn dich deine Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer.
Und wenn dich dein Fuß zum Bösen verführt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden.
Und wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.
Gedanken zum Text
Die Freiheit, die uns heutzutage in unserer pluralistischen Postmoderne zuteilwird, ist Segen und Fluch. Früher gab es das nicht. Die Menschen hatten nicht die Wahl selbstständig im Anblick eines riesigen Angebotes entscheiden zu können, was für sie das Beste ist. Mit diesem Privileg sind wir heutzutage aufgewachsen. Diese Freiheit ist jedoch nicht nur ein Segen, sondern gleichzeitig ein Fluch – wir müssen uns entscheiden. Die Wahl wird uns nicht abgenommen. Wir müssen Zeit investieren, uns mit der Materie auseinandersetzen und immer wieder vergleichen – in der Hoffnung das für uns beste Angebot, die beste Wahl zu treffen.
Etwas ähnliches spricht Jesus in der Sonntagslesung an. Das Bild ist drastisch: Wir sollen uns selbst verletzen und verstümmeln, falls uns ein Körperteil zum Bösen verführen sollte. Aber was heißt das eigentlich? „Zum Bösen verführt“ bedeutet nichts weiter als zur Sünde verführt zu werden, also eine Tat, die schlecht ist und uns von Gott entfernt. Wieso sollte sich ein Mensch denn freiwillig zu so etwas entscheiden? Ganz einfach: Er erhofft sich aus ihr Freude, Befriedigung oder einen Vorteil gegenüber anderen. Doch ist diese Freude nicht langfristig. Sie ist eine Momentaufnahme und führt im Nachhinein eine Entfernung von Gott mit sich – kurzum: Sie erfüllt uns nicht. So sagt Jesus drastisch, dass man sich eher die fehlgeleiteten Körperteile entfernen solle, bevor es dazu kommt, da uns diese Entscheidung nicht glücklich machen wird.
Auch heutzutage gibt es diese „Verführung zum Bösen“ noch: Aus gesundheitlichen Gründen bin ich auf Diät, doch mein Auge erblickt ein dickes Stück Sahnetorte, das ich mir genehmige; Ich muss auf mein Geld achten, doch ich kaufe mir das neue Auto, womit ich mich in Schulden stürze; Ich habe eine Drogen- oder Alkoholsucht und konsumiere, obwohl ich weiß, was dies mit meinem Körper tut.
Jesus warnt uns vor diesen kurzfristigen Freuden. Natürlich schenken mir die oben genannten Freuden glückliche Momente, aber diese sind nur kurzweilig. Nach einem raschen Dopaminanstieg bleibe ich freudlos und leer zurück. Ich habe im Nachhinein erkannt, dass ich den falschen Weg genommen, die falsche Entscheidung getroffen habe. Mit dieser Last muss ich weiterziehen und erhoffe mir, dass ich mich das nächste Mal klüger entscheide. Jesu Rat ist daher eher bildlich zu verstehen: Es muss nicht so weit kommen. Ich muss mich von irrgeleiteten Entscheidungshilfen lösen, damit mir die langfristigen Freuden des Lebens zuteilwerden. Aber für diese muss ich mich immer wieder aufgrund meiner gottgegebenen Freiheit aufs Neue entscheiden. Für mich bleibt es dabei – ich habe die Qual der Wahl.