06. Juni 2021
Dicker als Blut
Und er ging in ein Haus. Und da kam abermals das Volk zusammen, sodass sie nicht einmal essen konnten. Und als es die Seinen hörten, machten sie sich auf und wollten ihn festhalten; denn sie sprachen: Er ist von Sinnen.
Die Schriftgelehrten aber, die von Jerusalem herabgekommen waren, sprachen: Er hat den Beelzebul, und: Er treibt die bösen Geister aus durch ihren Obersten.
Jesus aber rief sie zusammen und sprach zu ihnen in Gleichnissen: Wie kann der Satan den Satan austreiben? Wenn ein Reich mit sich selbst uneins wird, kann es nicht bestehen. Und wenn ein Haus mit sich selbst uneins wird, kann es nicht bestehen. Erhebt sich nun der Satan gegen sich selbst und ist mit sich selbst uneins, so kann er nicht bestehen, sondern es ist aus mit ihm. Niemand kann aber in das Haus eines Starken eindringen und seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuvor den Starken fesselt; erst dann kann er sein Haus berauben.
Wahrlich, ich sage euch: Alle Sünden werden den Menschenkindern vergeben, auch die Lästerungen, wie viel sie auch lästern mögen; wer aber den Heiligen Geist lästert, der hat keine Vergebung in Ewigkeit, sondern ist ewiger Sünde schuldig. Denn sie sagten: Er hat einen unreinen Geist.
Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir.
Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.
Gedanken zum Text
Bei dieser doch langen Lesung fällt mir vor allem der Schluss ins Auge. Rekapitulieren wir: Wir haben die klassische Szenerie, in der Jesus von den Schriftgelehrten vor einer Menschenmenge herausgefordert wird. Sie werfen ihm vor, dass er seine Wunder nur verrichten könne, da er die Macht des Beelzebul, also des Teufels, nutze. Durch eine logische Argumentationsweise widerlegt er den haltlosen Vorwurf. Während dieser Auseinandersetzung stoßen auch Jesu Brüder, also die Jünger, und seine Mutter Maria dazu, und lassen ihn in Kenntnis setzen, dass sie auf ihn warten. Doch Jesus ist nicht erfreut, dass seine Familie draußen wartet, sondern entgegnet „Wer ist meine Mutter und meine Brüder?“. Wir können uns vorstellen, wie er seinen Finger erhebt und auf jede*n Einzelne*n in der gespannten Menge deutet, wenn er spricht „Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder!“. Dies mag überraschend klingen, hört es sich doch gerade so an, dass Jesus die enge Beziehung zu seinen Jüngern und sogar seine Verwandtschaft zur eigenen Mutter damit verleugnet.
Wir müssen jedoch genauer hinschauen. Jesus spricht zu den Menschen und verkündet ihnen das Wort Gottes. Er möchte die Lehre der bereits stattfindenden Ankunft des Gottesreiches begreifbar machen. So predigt er doch unaufhörlich von einer unbedingten Nächstenliebe und Solidarität mit den Ärmsten und Kranken. Die Menge ist begeistert von Jesu Reden, so hängen sie gespannt an seinen Lippen und folgen ihm auf Schritt und Tritt – nicht mal Ruhe zum Essen findet er, wenn wir den Anfang der heutigen Lesung im Blick haben. Aber genau das zeigt die Faszination, die von Jesus und seiner Lehre ausgeht. Die Menschen wollen seine Lehre leben – und dies merkt Jesus.
So sieht er sie nicht mehr als Fremde, sondern fühlt sich aufgrund dieser gemeinsamen Basis viel enger mit ihnen verbunden. Sie sind zu geistigen Brüdern und Schwestern für ihn geworden. Diese Geisteshaltung wird uns auch immer wieder deutlich, wenn der Priester im Gottesdienst das Wort an die Gemeinde richtet. Er spricht von den „lieben Schwestern und Brüdern im Glauben“. Wir sind bereits durch unseren gemeinsamen Glauben miteinander verwandt - geeint durch den Heiligen Geist und die Botschaft Jesu Christi, also eine Bindung „dicker als Blut“.