02. Mai 2021
Der Weinstock
Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt er, dass sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch! Wie die Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, so auch ihr nicht, ihr bleibt denn in mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun. Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen wie die Rebe und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen. Hierin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und meine Jünger werdet.
Gedanken zum Text
Das Evangelium von diesem Sonntag hat wieder ziemliches Ohrwurm-Potential: “Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, Frucht sollt ihr bringen, keine dürren Reiser sein – ich bin euer Leben, ich bin euer Leben.” (Text und Musik: Kathi Stimmer-Salzeder). Beim weiteren Lesen bin ich mit den Gedanken, zugegebenermaßen, ziemlich abgeschweift. Wie nett wäre es bei diesem frühlingshaft schönen Wetter einen ausgedehnten Spaziergang durch die Weinberge, zum Beispiel an Rhein oder Mosel, zu unternehmen und vielleicht abends ein Glas oder zwei zu verköstigen - geht aber ja aus den bekannten Gründen eher nicht.
Auf der einen Seite ist der Text sehr schön. Das Bild vom Weinstock und der Rebe ist sehr anschaulich und vermutlich für die meisten gut nachzuvollziehen. Auf der anderen Seite trügt die Idylle etwas. Bei aller Schönheit ist der Beruf des*r Winzer*in auch harte Arbeit. Neben genauen Kenntnissen von Ackerbau und Meteorologie ist vor allem Zeit erforderlich. Man lebt nicht sonderlich gut von einem frisch gepflanzten Weinberg - im besten Fall übernimmt (oder erbt) man einen bereits bestehenden Weinberg. Lage, Boden und Wetterbedingungen müssen das ganze Jahr über stimmen. Man kann sicherlich hoffen und heutzutage auch gute Berechnungen machen, aber letztlich weiß man nie, was man am Ende bekommen wird.
Über das Jahr schaut sich der*die Winzer*in die Trauben an und kontrolliert, ob sie gut wachsen. Sollte dem nicht so sein, werden diese Teile abgeschnitten - eigentlich verrückt, werden doch so vielleicht wertvolle Trauben verloren gehen. So ist es aber nicht. Der Pflanze wird so die Möglichkeit gegeben die gesunden Triebe mit der vollen Energie zu versorgen, ohne sich um die Teile kümmern zu müssen, die ohnehin nichts geworden wären.
Jesus gebraucht das Bild sehr drastisch: Diese abgeschnittenen Teile werden weggeworfen und im Feuer verbrannt. Ich persönlich glaube nicht, dass damit gemeint ist, dass jede*r, der*die nicht an Jesus glaubt, in die Hölle kommt. Jedoch ermahnt Jesus uns sehr streng “in ihm” zu bleiben. Seine Worte sind genug, um unser Leben auszurichten und gut zu leben. Mit ihm zusammen und auf ihn ausgerichtet können wir reiche Frucht bringen, uns entwickeln und unsere volle Energie dem Guten zuwenden. Das schöne Lob für Gott ist, so denke ich, dass wir an unserem Platz unser Bestes geben und die Liebe Gottes sichtbar machen.